09.04.2022

 

Es ist schon ein irres Leben hier. Als Besucher sehr beeindruckend, zum Leben - nicht mein Ding.
 
Die Stadt Leon ist überschaubar. Weniger beängstigend als Managua. Aber auch hier diese Armut. Die Menschen auf den Pferdekarren, die Holz, Lumpen und was weiss ich transportieren. Die Fahrrad-Rischkas, die Leute und auch Waren von A nach B bringen. Es ist schon sehr dritte Welt. Im hotel ist das kaum zu spüren kann – das ist ein kleines Paradies im Vergleich zur Welt jenseits der Mauer.

Beim Weg zur Busstation vorbei gelaufen an einem Fitness-Studio. Wie man bei diesen Temperaturen ins Fitnesstudio gehen kann, erschließt sich mir nicht. Ich komme mit dem Türsteher vom Fitnesstudio ins reden – er sagt mir, d ss es die heisseste Woche des Jahres ist. Keine Woche im Jahr wäre so heiß wie die Semana Santa. Jetzt weiss ich, dass ich auch die heisseste Woche Nicaraguas aushalten kann, wenn es mich jedoch ziemlich an meine körperlichen Grenzen bringt.

Apropos Grenzen: ich merke schon, dass ich auf dauer allein der Situation nicht gewachsen bin. Mich hier zu bewegen auf dauer in diesem Land braucht eine Community von Menschen, mit denen ich das gemeinsam mache. Ich habe keine Probleme mich zurecht zu finden, gerade jetzt in Leon, das im Vergleich zu Managua wirklich easy ist, habe ich meine Unsicherheit wieder abgelegt. Aber das Leben hier ist hart. Wirklich hart. Allein ist man da aufgeschmissen. Hier läuft vieles über die echten sozialen Netzwerke, die familie, Freunde, Bekannte, Nachbarn. So mein Eindruck. Wenn ich mir allein überlege, welche Berge von Lebensmittel Juana von der Finca mitgenommen hat, die sie unter ihren Verwandten in Managua verteilt … DAS sind soziale Netze, zwar keine Hängematten für Schmarozer aber wichtig in einer armen Gesellschaft.

Ich fahre jetzt mit dem Bus an den Strand. Eine freundliche Dame hat mir gezeigt, wo die Station der Busse für die Playa ist. Hier sind wirklich überall freundliche Menschen und ich weisse Riesin falle halt etwas auf – aber das ist ok. So geht es ja auch Latinos in Haibach. Auch die fallen auf. Selbst deutsche in Haibach fallen auf :-)

Der Bus wird gefüllt – gequetscht könnte man sagen. Gut, dass ich gleich beim Start eingestiegen bin und noch einen Sitzplatz bekam. Brechend voll auch mit Menschen, die Lebensmittel zum Verkauf an den Strand zu bringen scheinen. Dass diese Vermutung richtig war, erlebe ich, als ich während meines langen Strandspaziergangs in einer Bar eine Pause machte, dort etwas trank und einer der Mitfahrer mir Essen anbot. Was ich aber zu dem frühen Zeitpunkt noch ablehnte.

Es ist schon verrückt, vor 35 jahren bin ich in Mexiko in Puerto Escondido in den Surferwellen am Pazifik geschwommen (und habe mir den großen Zeh gebrochen) Angst hatte ich keine. Jetzt bin ich irritiert, wenn quasi klitzekleine Wellen an meinen Füssen „anbranden“, das macht was in meinem Kopf. Aber gut. Ich hatte meine Surfer-Wellen als ich jung war und gehe es als „altes Mädchen“ (so nennt man hier unverheiratete alte Damen wie mich - ninja veija) in Nicaragua jetzt halt vorsichtiger an. SEHR viel vorsichtiger. Dafür komme ich auch ohne gebrochenen Zeh vom Strand zurück – nachdem ich den ca. 3 Stunden entlang gewandert bin. Sehr sehr wenige Menschen insgesamt. Touristen wie mich sehe ich ganz ganz wenige. Eigentlich nur 3. Die sind so alt, wie ich vor 35 Jahren. Seufz. Backpacker in meinem Alter sind wohl eher eine sehr rare Gattung.

Zuerst war ich mit, dann ohne Sandalen am Strand unterwegs, was solange gut ging, solange der Sand feucht war. Als ich dann eine längere Stelle überqueren musste, an der das nicht der Fall war, hatte ich das Gefühl mir die Füsse zu verbrennen. Es war SEHR schmerzhaft. Unfassbar diese Hitze. War ich froh, als ich meine Füsse dann baden konnte.

Apropos baden - Badekleidung ist völlig überbewertet – hier geht man mit den kompletten Klamotten ins Meer, kommt wieder raus und wartet bis sie trocken ist. Das bisschen Sand – wen stört das. Nunja. Mich stört das. Habe halt auch nur eine Shorts dabei, fahre ja morgen nach Managua zurück. Ich bin halt inzwischen ein Weichei und mag keinen Sand in nassen Klamotten.

Das späte Mittagessen war puravida – der pure Luxus – gegrillte Langusten für umgerechnet 8 euro. Musste sein. Das ich ja ziemlich konsequent regional esse, gab es so eine Leckerei seit Jahrzehnten nicht mehr. Aber hier ist das regionale Küche – neben dem leckeren Obst, Gemüsegenüssen wie Yucca und Reis mit Bohnen. Also bin ich mir wieder treu geblieben. :-)

Rückkehr nach Leon am Markt – offensichtlich schaue ich vertrauenswürdig aus. Eine alte Frau packt ihren Stand zusammen und trägt ihren Tisch in ein Haus gegenüber. Sie ist fertig für heute. Überall verkaufen alle irgendwie das gleiche, trotzdem scheint sie ihre Sachen los geworden zu sein. Sie deutet mir, dass ich auf ihre Sachen aufpassen soll – was ich natürlich tue. Sie winkt mir anschließend dankbar zu und landet prompt auf einem Foto.

Dazu die Beobachtung: Die Menschen hier lassen sich gerne fotografieren – sie setzen sich auch gerne in Pose, wenn sie sehen, dass eine Kamera auf sie gerichtet sind. Auch völlig Fremde. Das gilt in Leon, am Strand – bis jetzt in ganz Nicaragua. Ganz anders als in Panama, da dominierte wohl eine indigene Kultur, die es nicht mag, wenn man ihr Bild nimmt. Hier freut sich fast jeder ob der Beachtung. Auch Polizisten stellen sich in Pose mit ihrer Bewaffnung und lächeln mich freundlich an. Beweisfotos gibt es nach der Rückkehr.

Wieder im Hotel werfe ich mich – Überraschung – erst unter die Dusche und dann in den Pool. So verschwitzt wie ich war, konnte ich nicht in den Pool gehen. Welch ein Genuss.

Apropos Genuss. Wer mich ob dieser Schilderungen jetzt sehr beneidet. Das gepostete Foto ist EINE Seite meiner Wade. Die anderen Seiten und auch die andere Wade sieht nicht viel besser aus. Auch meine Arme sind voll von Bissen. Moskitos und Tiere, deren Namen ich nicht kenne. Ich will nicht jammern. Aber das ist ein Teil des Preises, wenn man als altes Mädchen solche Reisen unternimmt.


Frisches süsses Touristenblut schmeckt nun mal besser als Nica-Blut :-)



Wenn der Text online ist, gehe ich noch ein bißchen durchs Dorf. Abendgassi – bei unter 40 Grad (ich schätze 35, aber das ist subjektiv) – CU.

 
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