16.04.2022

 

Vorgestern schrieb ich, die nächsten Tage würde wohl nicht viel berichtenswertes passieren. Da habe ich die Rechnung ohne die typischen „Andrea-Erlebnisse“ gemacht. Auch wenn mein Fitness-Level es grade mal wieder zu wünschen übrig lässt, ich bin gestern früh natürlich wieder losgezogen – „die Stadt unsicher machen“ … oder so ähnlich.
 
Zu Fuss zum alten Bahnhof von Granada, der heute als technische Schule dient – Züge fahren keine mehr. Dann wollte ich auf einem anderen Weg wieder zum See gehen, wovon mir die Mitarbeiter am Bahnhof aber sehr sehr deutlich abrieten. Es sei viel zu gefährlich. Die Gegend wäre garnicht ok. Am Karfreitag morgens, gegen 9.30 … zu gefährlich. Ok. When in Rome, do as the romans tell you.

Da ich aber doch noch was neues sehen wollte, traf ich die Entscheidung mit einem Interlokal nach Masaya zu fahren. 30 Minuten Fahrzeit und eine neue Stadt kennenlernen. Ich bekam wieder den letzten Sitzplatz, der Minibus fuhr direkt nachdem ich eingestiegen war los. Der Busbegleiter, der unterwegs überall den Zielort des Busses laut ausruft (Nummern und Schilder sind ja völlig überbewertet) und auch den Fahrpreis kassiert, war sehr nett. Er stopfte den Bus unterwegs nicht bis zum Anschlag voll und verriet mir sogar die örtlichen Taxipreise – was darf ein Taxifahrer verlangen, um mich von der Stadteinfahrt bis zum Zentrum zu bringen. Das sollte man nämlich besser vorher kennen, sonst … eh schon wissen. Blonde Riesinnen zahlen das doppelte …

Und dann passierte mal wieder was völlig irres, Andrea-typisches. Ich entschied die – geschätzt – 3-4km bis zum See zu Fuss durch die Stadt zu gehen. Unterwegs sah ich an einer Casita – einem Häuschen – das Schild „Batido de Leche con Banana“ Milch-Shake mit Banane für 25 Cordoba, ca 60 Cent – da musste ich einfach anhalten. Eine junge Frau ließ mich ein – es war eigentlich abgeschlossen – ihre Schwester führte mich nach hinten – während sie …
… Bananen einkaufen ging. Ich saß erst mal zwei Minuten in ihrem Wohnzimmer, dann wurde ich aufgefordert noch weiter zu gehen. Bis an den „Pool“, das ca. 1,5qm große Planschbecken der Kinder. Da war die ganze Familie gerade beim Mittagessen – die Kinder mussten mir einen Platzr räumen und die Schwester brachte mir erstmal Wasser mit Eis, der Batida ließ auf sich warten, aber das war mir in dem Moment egal. Als nächstes wollte man mir Essen aufdrängen. Huhn mit Salat – es sah auch lecker aus. Aber ich gestehe, bei der Armut, die ich da sah, hatte ich ein wirklcih schlechtes Gewissen, es anzunehmen, bestand auf einer sehr kleinen portion, da ich keinen Hunger hätte. Ihre Schwester wusch die Klamotten der Kinder in der Küche, in der auch das Mittagessen zubereitet wurde. Das ganze Häuschen hatte – gefühlt – ca. 60qm. Es wohnten dort die beiden Schwestern, ein Ehemann, 4 Kinder und die Mutter. Das waren zumindest die Personen, die zu diesem Zeitpunkt anwesend waren. Eines der Kinder war ein Pflegekind, da dessen Mutter in den USA als Kindermädchen arbeitete wie ich erfuhr.

Die beiden Schwestern – eine hieß Mercedes, den anderen Namen weiss ich nicht mehr - sind beides ausgebildete Rechtsanwälte, erzählten mir aber, dass es nur wenig bis keine Arbeit für sie gäbe. Seit den politischen Unruhen 2018 wäre die Wirtschaft komplett den Bach herunter gegangen. Dann wäre noch die Pandemie gekommen – die Mercedes auch nur als hysterische Reaktion der Gesellschaft bezeichnete. Von ihrer Familie sei niemand krank geworden, sie waren wohl auch alle ungeimpft.

Es fällt mir fast schwer, dieses Haus zu verlassen, auch wenn die Lebensumstände dieser Familie wirklich erschreckend waren. Gebildet und jung – und so arm. Und dann SOOOOO großzügig, eine völlig Fremde zum Mittageessen einzuladen. Nur den Batida durfte ich bezahlen. Allein für Eis zahlt man 5 Cordoba – 13 Cent – für uns Kleckerbeträge (noch) – für dort „richtiges Geld“.

Aber irgendwann zog es mcih dann weiter bis zum Park Malecon – direkt am Lago de Masaya gelegen. Auf dem Weg dahin verlief ich mich – fragte nach dem Weg und eine junge Frau mit Kind am Arm begleitete mich solange, bis die dumme blonde Riesin sich nicht mehr verlaufen konnte

So viele nette Menschen – und so viele arme. Arme Menschen, besonders die alten, die Lotterielose oder Obst verkaufen … mit geschätzten 70-80 Jahren, teilweise zahnlos, teilweise im Rollstuhl. Und ganz viele Kinder Und so viele arme abgemagerte Hunde auf der Strasse.

Apropos abgemagert. Schrieb ich schon, dass ich mir hier wieder schlank vorkomme. Ich habe – außerhalb der USA – selten so viele fette Menschen gesehen wie hier. Abgemagert oder fett – erschreckend wenig dazwischen.

Handytechnisch verhalten sich die Menschen übrigens wie bei uns. Jeder starrt überall auf das Gerät. Selbst am Pool sitzen hier zwei Mädels damit rum, statt sich zu unterhalten. Überall auf der Strasse, jeder hat whatsapp & co. Jung und alt – auch eine interessante Beobachtung, selbst die sehr sehr armen. Vermutlich sind die Handys nicht geladen, aber free Wifi gibt es fast überall.

Ja. „Die“ sind überall, manipulieren überall, steuern überall. Auch hier.

Der Park am Strand war übrigens nett, der Klobesuch kostete mit Papier 5 Cordoba – und ich aß ein leckeres Ceviche mit Blick auf den See und den Vulkan. Endlich mal wieder Ceviche. Meine Cracker bekamen die Strassenhunde. Naja. Die hälfte der Cracker zumindest :-). Das Ceviche war meines.



Die Rückkehr ging am Kunstmarkt vorbei, bei dem nur ca. ¼ der Geschäfte geöffnet war, das war nett, weil frei von Gedränge. Das hätte mir zu denken geben können. Ich bin dann zum lokalen Markt – dort ist die Busstation und erfuhr: heute fährt kein Bus mehr nach Granada. Feiertag. Der höchste Feiertag, an dem nur wenige arbeiten. Es war gerade mal 15.30 … ähm.

Also weiter zu Fuss vor zur großen Strasse, wo die Interlocales fahren. Heute aber wohl nur noch „gelegentlich“ wie man mir sagte. Schließlich sei ja Feiertag. Ich beschloss mich nicht aufzuregen, 20 Dollar im schlimmsten Fall – und das Taxi wäre wohl bezahlt. Es hat schon Vorteile, eine vergleichsweise „reiche“ weisse Riesin zu sein. Der Taxifahrer, der mich kurz vor der großen Strasse ansprach, verlangte 10 Dollar. Und ich gestehe, die Entscheidung fiel leicht. Das Risiko ewig auf einen Bus warten zu müssen – inzwischen war ich schon echt groggy – war mir zu groß und der Preis passte definitiv für 19km. Ich kam also bequem im Hotel an.

Das war so im wesentlichen der gestrige Tag. Leider hatte ich abends noch eine heftigere Schwindelattacke, so dass meine Freude über den Tag ziemlich gedämpft wurde. Auch heute ist die Welt noch nicht ganz so stabil, trotzdem war ich am Markt und habe versucht, einen Magneten mit „Nicaragua“ zu finden. Ein gewünschtes Mitbringsel. Aber leider – keine Chance. KEINER hatte solche Magneten … seufz. Vielleicht am Flughafen, aber das wäre dann morgen.

Ansonsten werde ich am Nachmittag noch versuchen, meine restlichen Cordoba loszuwerden. Garnicht so einfach. Da man überall bedrängt wird, Dinge zu kaufen, führt das bei mir zu der genau gegenteiligen Reaktion. Ich mag nichts haben … und brauchen tue ich ja eh nix. Mal sehen, wie es mir gelingt.
 
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